Jede*r wird bei der Staatenprüfung in Genf an uns vorbei müssen

Eva-Maria Thoms
Foto: Lingscheid/mittendrin e.V.

Köln (kobinet) „Kommt mit nach Genf“, mit diesem Aufruf hat sich der Verein mittendrin an die Öffentlichkeit gewandt. Eltern behinderter Kinder wollen am 29. und 30. August 2023 vor Ort in Genf anlässlich der zweiten Staatenprüfung Deutschlands zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention aufzeigen, dass Deutschland die Vorgaben dieser Konvention nicht erfüllen. „Wir werden präsent sein und einige Gespräche führen, mit Vertreterinnen der Zivilgesellschaft, aber auch mit anwesenden Politikerinnen und gern auch mit Medien und mit Vertreter*innen der Regierungsdelegation. Es wird ja jeder an uns vorbeilaufen müssen, der zur Staatenprüfung will“, betonte Eva-Maria Thoms, 1. Vorsitzende der Verein mittendrin, im Interview mit den kobinet-nachrichten zur geplanten Aktion in Genf.

kobinet-nachrichten: Die zweite Staatenprüfung Deutschlands vor dem Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte behinderter Menschen in Sachen Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention rückt näher. Dieses Ereignis am 29. und 30. August 2023 will der Verein mittendrin nicht ungenutzt lassen, wie auf Facebook zu lesen ist. Was haben Sie genau in Genf vor?

Eva-Maria Thoms: Wir haben uns mit Eltern aus mehreren anderen Bundesländern in Genf verabredet und wollen dort während der Staatenprüfung vor dem UNO-Gebäude dagegen protestieren, dass Deutschland die inklusive Bildung verschleppt. Inzwischen gibt es auch eine Stellungnahme aus Elternsicht für den UN-Fachausschuss. Wir werden also präsent sein und sicherlich auch einige Gespräche führen, mit Vertreter*innen der Zivilgesellschaft, aber auch mit anwesenden Politiker*innen und gern auch mit Medien und mit Vertreter*innen der Regierungsdelegation. Es wird ja jeder an uns vorbeilaufen müssen, der zur Staatenprüfung will.

kobinet-nachrichten: Was muss man tun, um in Genf mit dabei sein zu können?

Eva-Maria Thoms: Das Ganze ist eher eine Graswurzelaktion, das heißt, es gibt keine zentrale Organisation. Jede*r organisiert sich die Reise selbst. Wir treffen uns dann vor Ort in Genf. Die Einzelheiten unseres Auftretens dort besprechen wir seit ein paar Wochen in einer WhatsApp-Gruppe und gelegentlich in Videotreffen. Wir werden ein gemeinsames Transparent haben, ein paar gemeinsame Plakate und vielleicht auch im Vorhinein schon einen kleinen Zeitplan, welche Politiker*innen und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft uns dort besuchen. Alle, die in Genf mitmachen möchten, melden sich einfach auf Social-Media-Posts zur Genf-Aktion oder per Mail an info@mittendrin-koeln.de.

kobinet-nachrichten: Die Staatenanprüfung findet ja hinter verschlossenen Türen statt. Wie wollen Sie vor Ort Einfluss auf den konstruktiven Dialog, wie das ja so schön heißt, und letztendlich auf die Empfehlungen des UN-Ausschusses an Deutschland nehmen?

Eva-Maria Thoms: Einen direkten Einfluss auf die Staatenprüfung haben wir nicht. Niemand von uns wird dort sprechen oder Fragen stellen können. Aber wenn Sie sich den Staatenbericht der Bundesregierung ansehen, dann steht dort zum Thema inklusive Bildung nichts als Ausflüchte. Wie überzeugend werden die Vertreter*innen der Bundesregierung diese Ausflüchte vor dem UN-Fachausschuss vortragen können, wenn draußen vor der Tür die betroffenen Familien zum Teil mit ihren Kindern stehen, weil die inklusive Bildung in Deutschland nicht vorankommt? Unser Ziel ist, Öffentlichkeit herzustellen, vor Ort in Genf und vielleicht können wir auch dazu beitragen, dass die Staatenprüfung in Deutschland selbst öffentlich wahrgenommen wird. Als Deutschland in der ersten Staatenprüfung 2015 eine deutliche Rüge vom UN-Fachausschuss kassiert hat, gerade wegen der Nicht-Umsetzung der inklusiven Bildung, ist das in der deutschen Öffentlichkeit gar nicht angekommen. Das soll dieses Mal anders werden.

kobinet-nachrichten: Was ist Ihnen in Sachen Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention für Deutschland besonders wichtig?

Eva-Maria Thoms: Die ganze UN-Behindertenrechtskonvention ist uns wichtig, weil sie für die Gesellschaft und das Leben von Menschen mit Behinderung einen riesigen Fortschritt verspricht. Aber als Eltern haben wir natürlich besonders den Blick auf Kinder und junge Menschen mit Behinderung, und da ist das Thema Schule das zentrale Thema. Wenn man sich nach 14 Jahren Rechtsgültigkeit der UN-BRK die Situation in den meisten Bundesländern ansieht, kann man nicht erkennen, dass auf ein inklusives Schulsystem hingearbeitet würde. Das lässt sich nicht mehr als Anlaufschwierigkeiten erklären. Das ist ein Bruch der Konvention.

kobinet-nachrichten: Wie kann man die Aktion unterstützen?

Eva-Maria Thoms: Teilen Sie unsere Aufrufe für die Aktion in Genf. Verbreiten Sie Ende August unsere Berichte von der Staatenprüfung. Und helfen Sie im Anschluss mit, das Ergebnis der Staatenprüfung hier im Land zum Thema zu machen.

kobinet-nachrichten: Vielen Dank für das Interview.

Link zu weiteren Infos zur Fahrt nach Genf und zu den Hintergründen dazu von mittendrin e.V.

Quelle: kobinet-nachrichten.org (Link zum Original-Artikel)

Autor: Ottmar Miles-Paul

Deutschland und die UN-BRK

Seit Geltung der UN-BRK in Deutschland 2009 ist viel Zeit vergangen. Was ist seitdem passiert?

Damit beschäftigt sich der Beitrag der Landesarbeitsgemeinschaft Baden-Württemberg „Gemeinsam leben – gemeinsam lernen“ e.V. zum 5.5.,
dem Europäischen Protesttag für die Rechte von Menschen mit Behinderung:

Geknetet von Vorstandsmitglied Kirsten Ehrhardt geht es um die Umsetzung bzw. Nicht-Umsetzung der UN-BRK in Deutschland: Um Staunen, Grübeln, Ignorieren, Täuschen, Abtauchen und Liegenlassen – und um die nächste Staatenprüfung im Sommer dieses Jahres.

Viel Text gibt es in dem kleinen Clip nicht. „Das passt dazu, wie wir die Umsetzung der UN-BRK in Deutschland bewerten,“ meint der Vorstand
der LAG BW GLGL, „sie ist so schlecht und so schleppend, dass uns die Worte fehlen!“

Auf www.lag-bw.de gibt es auch eine Hörfassung und eine Textfassung.

Forschungsbericht: Eltern von Kindern mit Beeinträchtigungen – Unterstützungsbedarfe und Hinweise auf Inklusionshürden

Diese Studie untersucht, wie es Menschen mit einer Beeinträchtigung und ihren Familien geht. Es wurden Eltern befragt, deren Kinder einen besonderen Unterstützungsbedarf haben. Die Ergebnisse zeigen, wie Familien mit einem behinderten Kind zurechtkommen und was ihnen helfen würde.

Der Forschungsbericht wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erstellt und erschien im November 2022.

Download: Forschungsbericht 613 (PDF, 1,52 MB)

Gründung der Initiative “Gemeinsam leben, gemeinsam lernen – Mecklenburg-Vorpommern”

Gründung der Initiative “Gemeinsam leben, gemeinsam lernen – Mecklenburg-Vorpommern”

Im August 2021 gründet sich die Elterninitiative “Gemeinsam leben, gemeinsam lernen – Mecklenburg-Vorpommern”. Unser Ziel ist die Umsetzung der im Jahr 2007 durch Deutschland unterschriebenen UN Behindertenrechtskonvention des Jahres 2006 auch in unserem Bundesland. “Mecklenburg-Vorpommern – Ein Land zum Leben.” – unser Wunsch ist es, dass dieser Slogan ausnahmslos für ALLE gilt.

Inspiriert wurde unsere Initiative durch persönliche Erfahrungen Betroffener in der Umsetzung der Inklusion in unserem Bundesland und die erhaltene Unterstützung aus anderen Bundesländern. Insbesondere die erfolgreiche Arbeit des Vereins „Gemeinsam leben – Hessen e.V.“ gab uns den Anstoß zur Gründung unserer eigenen Elterninitiative – www.gemeinsamleben-hessen.de

„Wenn man schnell vorankommen will, muss man alleine gehen, wenn man aber weit kommen will, muss man gemeinsam gehen.“

Sprichwort

Willkommen auf „Gemeinsam leben, gemeinsam lernen – Mecklenburg Vorpommern“

Stand der Inklusion in unserem Bundesland

Am 15.06.2021 veröffentlichte die Friedrich Ebert Stiftung den aktuellen Stand der Inklusion in Deutschlands Schulen. Sie hat auf der Basis einer bildungsstatistischen Analyse der von der Kultusministerkonferenz (KMK) für das Schuljahr 2019/20 veröffentlichten Daten herausgearbeitet, wie weit Deutschlands Schulen bis 2019/20 bei der Umsetzung des Entwicklungsauftrages der UN-Konvention gekommen sind. Quelle: Zum aktuellen Stand der Inklusion in Deutschlands Schulen (fes.de)

Wir wollen, dass Inklusion nicht nur auf dem Papier stattfindet, sondern auch in der Realität. – www.gemeinsamleben-frankfurt.de

„Im Schuljahr 2019/20 kamen in den allgemeinbildenden Schulen (also in den Jahrgangsstufen 1 bis 9 bzw. bis 10 allgemeinen Schulen und in den Förderschulen) insgesamt 7.373.774 Schülerinnen und Schüler ihrer Schulpflicht nach: Bei 559.750 von ihnen wurde ein sonderpädagogischer Förderbedarf diagnostiziert, die Förderquote lag also bei 7,6 Prozent. Von den 544.640 Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf lernten 245.855 in allgemeinen Schulen (Inklusionsquote: 3,3%) und 313.855 in Förderschulen (Exklusionsquote: 4,3 Prozent). Da 245.855 der insgesamt 559.750 Schülerinnen und Schüler mit einem sonderpädagogischem Förderbedarf in allgemeinen Schulen unterrichtet werden, liegt der Inklusionsanteil bei 43,9 Prozent.“

Mit einem Inklusionsanteil von 35.8% gehört Mecklenburg-Vorpommern zu den Schlusslichtern im Ländervergleich. Dieses zu verbessern hat sich unsere Elterninitiative zum Ziel gesetzt.

Zum aktuellen Stand der Inklusion in Deutschlands Schulen (fes.de)

Auch Mark Rackles Consulting widmet sich dem Thema der inklusiven Transformationsprozesse in Deutschland. In seinem neuen Policy Paper vom 06/2021 fällt M-V bezüglich der Anforderungen der UN-BRK geradezu durch. „MV gelingt es als einzigem Land, sich bezüglicher beider Quoten in die falsche Richtung zu entwickeln (Anstieg Exklusionsquote, Abnahme Inklusionsquote).“ Quelle: Policy Paper 06/2021 – Inklusive Bildung in Deutschland: Beharrungskräfte der Exklusion und notwendige Transformationsimpulse. 106 Seiten. ISBN 978-3-7543-0873-8

Der UNO ist unser Föderalismus egal

Am 29. und 30. August 2023 prüft der UN-Fachausschuss in Genf, ob Deutschland genug tut, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Über den Stand der Dinge beim Recht auf inklusive Bildung haben wir dem UN-Fachausschuss eine Stellungnahme zugeliefert.

Auch 14 Jahre nach Rechtsgültigkeit der UN-Behindertenrechtskonvention gibt es kein planvolles Vorgehen von Bund und Ländern für inklusive Bildung. Die meisten Bundesländer nehmen den Auftrag, ein inklusives Bildungssystem aufzubauen, nicht an. Der Bund schaut weg. Im Ergebnis wird Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention nicht umgesetzt. Nüchtern betrachtet, ist dies der Bruch eines internationalen Vertrages.

Die miese Bilanz dürfte der Delegation der Bundesregierung bewusst sein, wenn sie am 29. und 30. August 2023 beim UN-Fachausschuss in Genf zur Staatenprüfung antritt. Das ist umso peinlicher, als die fehlenden Fortschritte bei der Verwirklichung inklusiver Schulbildung schon bei der ersten Staatenprüfung 2015 unangenehm aufgefallen waren. In der offiziellen Stellungnahme – dem Staatenbericht – versucht die Bundesregierung, dieses Versagen hinter Ausflüchten zu verbergen. Ob dies gelingt?

Es darf nicht gelingen! Um den UN-Fachausschuss über die Realität zu informieren, haben wir dort eine Stellungnahme eingereicht. In der Stellungnahme zeigen wir auf, wie der Aufbau der inklusiven Bildung in den meisten Bundesländern verschleppt, verweigert und umgangen wird. Wir schildern die Abwehrstrategien gegen Inklusion, denen sich behinderte Schüler:innen und ihre Familien ausgesetzt sehen und wir weisen darauf hin, dass in Deutschland statt der inklusiven Schulen jetzt die Sonderschulen weiter ausgebaut werden. Wir sind gespannt, wie der UN-Fachausschuss diese Informationen aufnimmt.

Lesen Sie hier Stellungnahme des mittendrin e.V. an den UN-Fachausschuss in Deutsch und Englisch im Original-Artikel auf www.mittendrin-koeln.de.

Quelle: www.mittendrin-koeln.de (Link zum Original-Artikel)

Welche Kriterien Behinderte bei einer Triage gefährden – Ärzte sollten nicht allein entscheiden

Abgerufen am 29.01.2022, 16:50 Uhr, Quelle: Schutz von Behinderten bei Triage: Was nach dem Urteil nun passieren muss (medscape.com)

Prof. Dr. Oliver Tolmein, Mitbegründer der Kanzlei „Menschen und Rechte“ in Hamburg, ist Spezialist für Fragen der Inklusion und des Krankenversicherungsrechts. Er unterstützt Mandantinnen und Mandanten, die sich gegen Diskriminierung wehren wollen. Mit ihm sprach Medscape anlässlich der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zur potentiellen Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen bei möglichen Triage-Entscheidungen bei Corona-Patienten.

Vollständiges Interview hier zu lesen: Download (pdf, 772 KB)

vds nimmt Stellung zum Koalitionsvertrag

Abgerufen am 28.12.2021, 14:50 Uhr, Quelle: vds – Verband Sonderpädagogik e.V. (verband-sonderpaedagogik.de)

Stellungnahme des Verbands Sonderpädagogik (vds) zum Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“

Der Verband Sonderpädagogik e.V. (vds) begrüßt ausdrücklich, dass die Kinderrechte in der neuen Legislaturperiode ins Grundgesetz aufgenommen werden sollen und dass sich die Ampel-Koalition für Chancen für Kinder, starke Familien und beste Bildung einsetzen will.

Das ist wirklich positiv! Dafür haben wir uns lange eingesetzt!

In weiten Teilen ist der Koalitionsvertrag aus Sicht des vds jedoch nicht der angekündigte Fortschritt.
Er bleibt im Bereich Bildung weit hinter erwarteten und erwartbaren Aussagen zurück.

Unter der Überschrift Inklusion findet sich kein Bekenntnis zur inklusiven Bildung!

Es fehlen aussagekräftige Positionen zu

  1. Barrierefreiheit in Verbindung mit inklusiver Bildung und inklusivem Schulbau
  2. Ganztag und Inklusion
  3. Schulsport und Inklusion
  4. Digitales Lernen, digitale Lehr- und Lernmittel und inklusive Bildung (die Gerätewartung hingegen hat es bis in den Koalitionsvertrag geschafft)
  5. Qualitätsoffensive Lehrerbildung und Inklusion (kein Wort zum extremen Lehrkräftemangel im Bereich Sonderpädagogik, Aussagen hinsichtlich des Berufsschullehramts haben es durchaus in den Koalitionsvertrag geschafft).

Die Koalition kündigt einen Bildungsgipfel unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft an.
Der Verband Sonderpädagogik e.V. wird sie beim Wort nehmen und Nachbesserungen im Sinne einer über alle Bundesländer vergleichbaren inklusiven Bildung einfordern! Bisher ist das Bekenntnis zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention eindeutig zu wenig ambitioniert, um Fortschritt zu wagen. Die Lehren aus der Corona-Pandemie müssen in eine langfristige, inklusive und effektive gemeinsame Strategie in der Bildungs- und Sozialpolitik übertragen werden.

Wer Fortschritt wagen will, der muss auch die notwendige Grundgesetzänderung zur Abschaffung des Kooperationsverbots endlich aktiv voranbringen und nicht nur sagen: „Soweit erforderlich, bieten wir Gespräche über eine Grundgesetzänderung an.“

Der vds wird sich einmischen und ein eindeutiges Bekenntnis zur inklusiven Bildung und zu angemessenen Vorkehrungen zur Bildungsteilhabe für alle Schülerinnen und Schüler einfordern!
Selbstverständlich steht der Verband Sonderpädagogik e. V. wie immer mit seiner Expertise beratend und begleitend zur Verfügung.

Quelle: vds – Verband Sonderpädagogik e.V. (verband-sonderpaedagogik.de)

Wie eine Inklusionswende gelingt!

Abgerufen am 28.12.2021, 14:40 Uhr, Quelle: #Barrierefreiheitsrecht (barrierenbrechen.de)

Ein Angebot an die neue Bundesregierung.

Wir Menschen mit und ohne Behinderungen in führenden Sozialunternehmen Deutschlands wollen konkrete Wege aufzeigen, wie „die Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern mit Behinderung weiter ausgebaut werden kann.“ Wir wollen Innovationen in Bildung, Wissenschaft und Wirtschaft schaffen, einen Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit leisten und die Potenziale von Menschen mit Behinderungen einbringen. Menschen mit Behinderungen umfassen 10 % der Gesamtbevölkerung. Gemeinsam mit allen wollen wir neben der Klima- eine Inklusionswende voranbringen. Unser Angebot:

1) Berufliche Bildung als Schlüssel für einen inklusiven Arbeitsmarkt

Mit einer fundierten beruflichen Bildung gelingt der Start in ein selbstbestimmtes Leben, die eigene Karriere und die Bewältigung des Wandels auf dem Arbeitsmarkt.

Wir müssen gemeinsam mehr Zugangschancen zum allgemeinen Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen aus den Werkstätten schaffen, indem deutschlandweitspezifische Aus-, Fort- und Weiterbildungsgänge (Art. 24 BRK) für deren Einsatz in der Wirtschaft entstehen.

2) Gute Arbeit – Gute Existenz

In Deutschland war selbst die stärkste wirtschaftliche Konjunktur zu schwach, um Menschen mit Behinderungen gerecht zu behandeln. Sie sind viel häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen – vor allem Frauen. Absurderweise herrscht zugleich ein Fachkräftemangel.

Wir müssen für die rd. 8 Mio. Menschen mit Behinderungen und Unternehmen eine bundesweite Arbeitsmarkt-Plattform (Art. 27 BRK) schaffen und zusammenführen, was zusammengehört: Fachkräftebedarf, Fachkräften mit Behinderungen und Unterstützungsangebote.

3) Innovationen durch Forschung & Anwendung

Produktentwicklungen, innovative Dienstleistungen und Talente bleiben unentdeckt, weil Menschen mit Behinderungen nicht als Kundinnen, Kreative oder Fachkräfte entdeckt und anerkannt werden. Heute können Produkte und Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen entstehen, die morgen der breiten Mehrheit nützen.

Wir benötigen ein wissenschaftliches Inklusionsinstitut, durch das die Wirtschaft innovative Anwendungen für neue Märkte entwickelt.

4) Beratung & Bewusstseinsbildung durch Expertinnen in eigener Sache

Selbst in engagierten Unternehmen und Organisationen herrscht oft Unsicherheit, was Inklusion bedeutet und welche Potenziale damit verbunden sind. Inklusionsberatung schafft – z. B. bei Digitalisierung, Klimawandel oder Wohnungsbau – Mehrdimensionalität.

Wir wollen das Bewusstsein für die Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen schärfen (Art. 8 BRK). Durch u. a. Trainings und eine bundesweite, crossmediale Kampagne kann Inklusion in der breiten Bevölkerung positiv besetzt und von Unternehmen aufgenommen werden. Eine sozialunternehmerische Inklusionsberatung durch Menschen mit Behinderungen hilft, in Politik, Verwaltung und Wirtschaft Inklusionskompetenz zu erzeugen.

Für die Sozialunternehmen für Inklusion: Institut für Inklusive BildungSozialheld*innenmyAbilityEnableMeatempodiscovering handsUn-LabelIrrsinnig Menschlich und Dialog im Dunkeln (DSE) und mit Unterstützung des UnternehmensForums.

Quelle: Wie eine Inklusionswende gelingt! – #Barrierefreiheitsrecht (barrierenbrechen.de)

Geschichte des Werkstättensystems

Abgerufen am 28.12.2021, 14:40 Uhr, Quelle: ak analyse & kritik (akweb.de)

Mit der Industrialisierung und der damit einhergehenden Urbanisierung Mitte des 19. Jahrhunderts entstand in den Städten ein großer Bedarf, Orte für jene Menschen zu schaffen, die in der modernen Welt weniger gut zurechtkamen. Diese Aufgabe fiel Ende des 19. Jahrhunderts der Psychiatrie und der Pädagogik zu. War zunächst noch versucht worden, reine Verweilanstalten für psychisch belastete Menschen oder auch Menschen mit Lernschwierigkeiten zu schaffen, setzten sich bald schon humanere Konzepte durch. Pioniere wie Édouard Séguin entwickelten Bildungs- und Betreuungskonzepte, zunächst vor allem für Kinder, später auch für erwachsene Menschen. In dieser Tradition gründete Friedrich von Bodelschwingh um die Jahrhundertwende die Betelschen Anstalten, die heute als erste Werkstätten gelten. Das Motto »Arbeit statt Almosen« verwies darauf, dass die dort beschäftigten Menschen nicht einfach nur Objekt christlicher Menschenliebe waren, sondern auch einen Beitrag leisten konnten. Dieses Produktivitätsparadigma wurde im Nationalsozialismus zum entscheidenden Kriterium über Leben und Tod: Wer nicht arbeitsfähig war, wurde umgebracht. Insgesamt wurden während der verschiedenen Vernichtungsaktionen mindestens 120.000 Menschen ermordet. In den 1950er Jahren entstanden wieder erste Werkstätten, etwa unter dem Dach der 1958 gegründeten Bundesvereinigung Lebenshilfe. Ziel war es, beschützende Räume zu schaffen, die keinem wirtschaftlichen Druck ausgeliefert waren. Mit Verabschiedung des Bundessozialhilfegesetzes 1961 wurde dann ein flächendeckendes Werkstattsystem in Deutschland etabliert, das dann in den 1970er Jahren konzeptionell weiterentwickelt und festgeschrieben wurde. Demnach sind Werkstätten ein Angebot an Menschen, denen »mehrheitlich und zeitlebens keine Erwerbstätigkeit angeboten wird«. Sie sollen so das Recht von Menschen mit Behinderung auf Arbeit gewährleisten, das Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonvention festschreibt. Voraussetzung für eine Teilhabe durch Arbeit in einer Werkstätte ist »wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung«. Für Menschen, die dieses Kriterium nicht erfüllen, sind tagesstrukturierende Förderstätten eingerichtet worden. Trotz der Kritik am Werkstättensystem (siehe Interview) und obwohl die UN-Behindertenrechtskonvention eine Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt fordert, schreibt das Bundesteilhabegesetz, das seit 2016 schrittweise verabschiedet wird, den Bestand der Werkstätten vorerst fort.

Quelle: »Wer einmal in der Werkstatt ist, kommt nie wieder heraus« – ak analyse & kritik (akweb.de)