Von Bettina Stark-Watzinger: Wir brauchen eine Bildungsrevolution – WELT abgerufen am 28.12.2021, 14:00 Uhr
Die Schulschließungen während der Pandemie haben die Ungleichheit der Bildungschancen in Deutschland verschärft. Die Misere an den Schulen ist das Ergebnis jahrelanger Versäumnisse. Zeit für einen grundlegenden Systemwechsel.
„Die deutsche Bildungslandschaft ist aus der Zeit gefallen. Die Pandemie hat die Schwächen erneut drastisch aufgezeigt. In kaum einem anderen OECD-Staat hängen die Bildungschancen so stark vom sozialen Hintergrund ab. Der Bildungsföderalismus ist überfordert. Nicht einmal in Krisenzeiten können sich die 16 Länder auf ein gemeinsames Handeln einigen. Dieses Klein-Klein frustriert seit Jahren Familien und Schulen. Die Folge: Deutschland ist viel zu weit entfernt von PISA-Siegern wie Estland.
Diese Bildungsmisere ist das Ergebnis jahrelanger Versäumnisse. Zuständigkeiten sind verworren. Die Kultusministerkonferenz ist bürokratisch und träge. Dabei hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel Bildungspolitik eigentlich zur Chefsache gemacht: Seit 16 Jahren führt die Union das Bundesbildungsministerium. Es waren 16 Jahre bildungspolitischer Stillstand und Rückschritt. Denn die Union beschnitt sogar die Kompetenzen des Bundes in Bildungsfragen. 2006 verankerte die Bundesregierung das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern im Grundgesetz. Ein historischer Fehler.
Es ist Zeit für einen grundlegenden Systemwechsel. Der Bund gibt viel Geld, steht bei der Umsetzung aber bislang unbeteiligt am Spielfeldrand. Es braucht ein Kooperationsgebot zwischen Bund und Ländern in Artikel 91b des Grundgesetzes. Dann können Bund und Länder dauerhaft und nachhaltig in zentralen Bildungsfragen zusammenarbeiten. Etwa um bundesweit Digitalkompetenzen als feste Bestandteile der Lehreraus- und -weiterbildung zu verankern. Bund und Länder müssen zukünftig an einem Strang ziehen.“
Quelle: Bettina Stark-Watzinger: Wir brauchen eine Bildungsrevolution – WELT